Kapitel 2 – Weltschmerz
Ingrid Hunnigan hatte gerade Dienst in der Leitstelle, als ein Funkspruch von Agent Kennedy reinkam.
„Brauche dringend Unterstützung; schickt mir alles, was ihr dahabt, ich wurde mit Stichwaffen angegriffen und mehrmals beschossen!“
Hunnigan runzelte die Stirn. „Sie werden nicht mit ein paar spanischen Landwirten fertig? Und was ist mit der spanischen Polizei? Sind das auch solche Weicheier wie Sie?“
„Ich musste schon zwei erschießen, und die anderen machen keine Anstalten aufzugeben! Die Cops wurden beide entführt, und diese Bauern sind einfach anormal! Die haben solche gruseligen Augen, wie besessen, und brüllen mir irgendetwas von wegen „Lorsattla“ entgegen!“
„Das sind halt Spanier, die sind etwas schwierig in der Hinsicht…“
„Verdammt nochmal, ich will jetzt Unterstützung haben!!“, brüllte Leon verzweifelt.
„Ist ja gut, Kennedy. Ich schicke Ihnen was, und wehe das war nicht nötig!“
Leon klappte das Funkgerät zu. „Blöde Ziege.“
Währenddessen fühlte Hunnigan sich etwas hilflos, und sie beschloss, ihren Vorgesetzen zu Rate zu ziehen.
„Mr. Miller! Welche Einheit klingel‘ ich raus, wenn ein Agent von besessenen Landwirten angegriffen wird und zwei einheimische Polizisten von ihnen verschleppt worden sind?“
„Was meinen sie?“, fragte Miller ungläubig und trat näher an Hunnigan’s Arbeitsplatz heran. „Wie definieren sie „besessen“?“
„Kennedy sagte, sie hätten irgendwie komische Augen und sie würden merkwürdige Geräusche von sich geben…“
„Hm… Dann stimmt es also doch…“
„Bitte was stimmt also doch?!“
„Wir haben in den letzten Wochen anonyme Meldungen über eine Sekte, die mit Viren experimentiert, erhalten. Sie sollen sich in Kennedy‘s Einsatzgebiet aufhalten…“
„Und warum lassen Sie da einen Agent alleine reingehen, wenn Sie doch wissen, dass…“, fragte Hunnigan verständnislos.
„Naja… Wir hielten es für einen… Scherz. Hehe…“, lachte Miller verlegen. „Wie dem auch sei – wir haben es hier also anscheinend mit verseuchten, virenbesetzten Sektenmitgliedern zu tun. Und rein zufällig besucht die S.T.A.R.S. Einheit Raccoon gerade einen Übungsplatz in Spanien. Die scheinen mir sehr geeignet dafür zu sein! Sie haben doch den Vorfall in Raccoon vor ein paar Jahren mitgekriegt, oder?“
„Ähm… Nein?!“
„Ach ja, stimmt, die Infos blieben ja nur wichtigen Mitarbeitern vorbehalten!“, lachte Miller auf und fing sich somit einen bösen Blick von Hunnigan ein.
„Okay, okay. Dann alarmiere ich jetzt diese S.T.A.R.S. – was’n Name…“
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Nach ein paar weiteren Übungen saßen die S.T.A.R.S. – zusammen mit der Einheit „Bravo Six“ des britischen SAS - auf Bierbänken und aßen, tranken und unterhielten sich.
Wesker hatte ein Gespräch mit dem anderen Captain, der sich bloß als „Captain Price“ vorstellte, angefangen.
„Also ist ihre Einheit auch manchmal etwas… Schwierig?“, fragte Wesker zögerlich.
„Ja.“, antwortete sein Gegenüber sofort mit starkem, britischem Akzent. „Gaz da drüben ist eine eitle Schwuchtel…“, meinte er, während ein anderer SASler mit Baseball Cap mädchenhaft herüberwinkte. „… Und unser Soap dort drüben ist etwas… Nennen wir es depressiv… SOAP, besorgen Sie uns noch ein paar Tacos, LOS!!“, brüllte Price auf einmal und zeigte auf den Imbisswagen. Leise „Soap tu dies, Soap tu das, Soap besorg’s mir Anal…“ zischend stand McTavish auf, um dem Befehl Folge zu leisten.
„Ach, depressiv? Warum nur?“, meinte Wesker resigniert. „Valentine! Gehen Sie Soap hinterher und besorgen Sie uns auch noch ein paar Tacos!“
Jill runzelte die Stirn. „Was ist mit Seife?“
„Der Typ da, der heißt so! Und jetzt machen Sie, ich hab‘ Hunger!“, befahl Wesker erneut.
„Diese SAS Schwuchteln sind definitiv kein guter Umgang für Sie, Captain.“, meinte Jill kopfschüttelnd.
„Stehen Sie auf, oder muss ich Chris auf Sie loslassen?“, drohte Wesker grinsend.
„Blödes Arschloch…“, murmelte Jill und stand auf, um ebenfalls Tacos zu holen. Soap bekam gerade seine Bestellung ausgehändigt. Schweigend stellte Jill sich neben ihm…
„… Hi… Ich bin Jill.“, meinte sie zögerlich.
„Aha. Ich nicht.“, gab Soap mit absolut keiner Emotion in der Stimme zurück.
„… Du heißt Soap, hab‘ ich gehört…“
„Nein, meine Feinde nennen mich Soap.“
„Oh. Und wie nennen dich deine Freunde?“
„Hab‘ keine. Jeder nutzt mich aus; die Welt ist gegen mich.“
„Aaaaaaachso.“, sagte Jill verwirrt. Sie wusste absolut nicht warum, aber irgendwie hatte sie an diesem depressiven Trauerkloß Gefallen gefunden. „Du wirst also auch oft von deinen Kameraden geärgert?“
„Geärgert? Ausgebeutet… Vergewaltigt…“
„Also sind wir quasi sowas wie Seelenverwandte?“, versuchte Jill verunsichert.
„Denke nicht.“, meinte er immer noch absolut kalt.
„Ach so…“, sagte Jill erneut. Was war das für ein komischer Typ? Absolut unfreundlich und abweisend, aber auch irgendwie anziehend…
„Hallo?! Bestellung fertig!“, riss der Imbissverkäufer sie aus ihren Gedanken.
„Tja…“, sagte Jill und nahm ihre Bestellung. „War jedenfalls eine nette Unterhaltung mit dir!“
„Wenn du meinst, dann war das wohl eine…“
„Also jetzt regt’s mich langsam auf! Was ist dein Problem?!“, ging Jill ihn an.
Soap zuckte mit den Schultern. „Weltschmerz…“
„Weltschmerz?! Willst du mich verarschen?!!“, fauchte Jill und schlug mit der Faust auf die Warenausgabe des Imbisswagens – voll in einen von Soap’s Tacos hinein.
„Das war Captain Price’s Taco. Jetzt wird er mir sicher wieder eine leere Bierdose in den Hintern schieben wollen…“
„Ähm.. Bestell‘ halt einen neuen?!“, meinte Jill irritiert.
„Wozu denn das ganze, ist doch eh nur mein armer Arsch…“
„… Du hattest eine schwere Kindheit, nicht wahr?“, fragte Jill mitfühlend und legte Soap ihre Hand auf die Schulter.
„Schwere Kindheit?! Papa hat mich mit dem Knüppel gejagt, während Mama anschaffen gegangen ist. Meine Schwester ist mit zwei Jahren an einer Lungenentzündung gestorben. Als ich sechzehn war, wurde Mama dann von ihrem Zuhälter erschossen und Papa hat sich selbst angezündet – in unserem Haus. Nur meine Omi lebt noch – und selbst die schreibt mir jetzt nicht mehr!“
„Verstehe…“, meinte Jill, und erkannte, was ihr da für ein psychisches Wrack gegenüber saß. Sie wusste, dass sie die Situation jetzt sehr sensibel managen musste. „Ohne Scheiß?!“
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