Prolog - Guten Morgen, Sonnenschein!
Polizeiobermeister Chris Heller schreckte aus seinem bleiernen Schlaf hoch... 06 : 11 Uhr zeigte das blaue Display des Radioweckers. Sein Handy plärrte lauthals Boston´s More than a feeling… Der Weckruf? Nein, ein Anruf... Mit einem hässlichen, gemurmeltem Fluch, „welchesdummearschlochruftdennumdiesezeitundinmeinemurlaubbeimiran“ nahm Chris das Gespräch an...
„Christoph...? Du musst sofort vorbeikommen...“ Chris´ stellvertretender Dienstgruppenleiter klang atemlos... Verängstigt? „Was zum Teufel...?“ Seltsamerweise klang der folgende Schrei leise und nur schwer verständlich: „In die Köpfe... In die Köpfe!...“ Dann gedämpftes Knallen... dann Statik,... dann das „Gespräch-beendet-tuten“...
Chris schüttelte den Kopf. Was war das denn jetzt? Ein Streich der Kollegen? Ein Blick auf den Kalender zeigte, dass heute tatsächlich Chris´ Dienstgruppe zur Frühschicht eingeteilt war... Warum sollten die ihn aber in seinem Urlaub anrufen? Mit einem geistigen Schulterzucken, wälzte Chris sich aus dem Bett, wankte in die Küche auf der Suche nach Kaffee und Nahrung...
Nachdem beide Bedürfnisse befriedigt waren, grübelte Chris weiter... Der Anruf ließ ihn nicht los... Sein stellvertretender DgL war in seinen Augen der beste Polizist der Welt und ein väterlicher Freund für ihn. Wenn dieser gesagt hätte „Männer, heute durchsuchen wir die Hölle und nehmen den Satan fest...“ so hätte Chris als Erster geschrien „Ich mach mit! Darf ich die Türramme tragen?“. Trotzdem hatte der sonst so besonnene Mann fast panisch geklungen. So hatte Chris ihn niemals gehört.
Chris verdrängte den Gedanken an Panik und Verzweiflung. Hatte er sich am Ende verhört? War vielleicht sein Resturlaub einfach nur wegen „dienstlicher Erfordernisse“ gestrichen? Musste er wegen einer Demo oder sonstigen Großveranstaltung wieder den Kameramann spielen?
Mehrere Versuche zurückzurufen, bescherten nur das Besetzt-Zeichen. „Was zum Teufel? Ist das jetzt ne Polizeidienststelle oder nicht?“ Chris entschloss sich, bei der Dienststelle vorbeizufahren. Falls dies ein dämlicher Scherz oder sein Urlaub gestrichen sein sollte, würde Chris sich den oder die Witzbolde greifen und sie lehren, dass sein Urlaub heilig war. Ein kurzes Zögern... Uniform? Nein... Offiziell hatte er noch immer Urlaub und wenn ihn deswegen jemand anscheißen wollte, so sollte dieser es gerne versuchen.
Die Waffe? Der komplizierte Bartschlüssel glitt in das Schlüsselloch des Tresorwürfels... Die fertig geladene Heckler und Koch fühlte sich schwer und kalt in Chris´ Hand an... wieder Zögern... sollte er doch in den Dienst versetzt werden, war es besser, zumindest die Waffe dabei zu haben...
Das zivile Pancake-Cordura-Holster war schnell am Gürtel der Cargohose befestigt, die Waffe glitt wie von selbst hinein... das Reservemagazin fand in der Hosentasche platz... „carrying heat“ nannten die Amerikaner das. Ein schlichtes T-Shirt übergezogen, in die blauen Sneaker geschlüpft, Dienstausweis um den Hals gehängt, fertig war ein grübelnder Polizeibeamter in zivil...
Immer noch schweren Gedanken nachhängend, verließ Chris das Haus. Hätte er seiner Umwelt nur ein wenig Aufmerksamkeit gewidmet, hätte er merken müssen, dass hier am Rande der sonst so lebhaften Großstadt Totenstille herrschte... Polizeiobermeister Heller hatte noch keine Ahnung, dass dies der längste Tag seines Lebens werden sollte.
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