Kapitel 1 - Der Albtraum beginnt
Chris erreichte das Polizeirevier nach nur 15 Minuten Fahrt über die verwaiste Stadtautobahn, welche am Stadtrand vorbeiführte. War vielleicht ein Feiertag? Der Berufsverkehr hätte in vollem Gang sein müssen.
Chris parkte seinen Renault verbotswidrig auf dem Besucherparkplatz. Eine kleine Gehässigkeit seinerseits für die Störung seiner Ruhe. Grinsend ging er zum Haupteingang, tippte den Code ins Zahlenschloss und betrat den Wachvorraum. Im Wachraum selbst war durch die Panzerglasscheibe niemand zu sehen. Eigenartig. Die Wache war normalerweise immer besetzt. Eine weitere code-gesicherte Tür führte Chris direkt in die Wache.
Chris prallte förmlich zurück. Der süßliche Gestank von Verwesung, den jeder Polizist kennt, drang ihm unvermittelt in die Nase. „Was zum Teufel ist hier los?“ murmelte Chris. „Hat die Putze nen neues Reinigungsmittel?“
Doch ein Blick auf den Fußboden der menschenleeren Wache zeigte Chris, dass hier heute noch nicht gewischt worden war: Dunkelrote Flecken bedeckten den Boden und führten weiter ins Innere der Dienststelle. Blut. Hier war definitiv etwas nicht in Ordnung. Gedämpfte Schüsse aus dem hinteren Teil der Dienststelle ließen Chris die eigene Waffe ziehen.
Ein Amoklauf? Hier auf dem Polizeirevier? Sollte Chris sich erst zurückziehen und mit Verstärkung wieder anrücken? Nein, da wurde noch geschossen, also waren auch Menschen in Gefahr. Die Waffe in aufmerksamer Sicherungshaltung auf den Boden deutend, rückte Chris vor, näherte sich dem Büro seines Dienstgruppenleiters.
Chris´ stellvertretender Dienstgruppenleiter lag in einer riesigen Blutlache auf dem Boden. Über ihn gebeugt ein weiterer Kollege. Chris sah ihn nur von hinten, es schien aber Tom Müller zu sein, der wohl mit Wiederbelebung an ihrem Chef beschäftigt war. „Scheiße Tom, was ist hier los?“. Die einzige Reaktion: Ein Schmatzen und Stöhnen. War Tom etwa auch verletzt? Chris trat näher, wollte Tom die Hand auf die Schulter legen. Dieser drehte den Kopf, so dass Chris sah, was dieser tat.
Keine Wiederbelebung. Im Gegenteil. Tom fraß vom Hals des Dienstgruppenleiters, das Gesicht blutverschmiert und wohlig schmatzend. Tote, leere Augen richteten sich auf Chris, der schockiert zurückwich. Schwankend richtete Tom sich auf. Ein unmenschliches Stöhnen ausstoßend und die Arme ausstreckend kam Tom schlurfend näher.
„Was ist das für ne Scheiße, Tom? Bleib zurück!“ Chris wollte seiner Stimme den festen Klang geben, den er im Dienst immer einsetzte um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Doch blanke Panik ließ nur ein heiseres Krächzen zu. „Tom ich warne dich! Bleib weg!“ Tom blieb nicht weg, kam immer näher.
Ein wuchtiger Tritt gegen das Brustbein, ließ Tom zu zurücktaumeln, doch er fiel nicht um. Ein lautes, gieriges Aufstöhnen und Tom griff nun mit gefletschen Zähnen nach Chris. Ein schneller Seitenschritt und zurück. Abstand zum Gegner gewinnen. So hatte Chris es gelernt. Scheiße, Sackgasse!. Mit dem Rücken zur Wand und keine Möglichkeit mehr, auszuweichen.
Chris richtete die Heckler und Koch auf Tom. Die Waffe wog nun tonnenschwer in Chris´ Händen. „Letzte Warnung, Tom!“. Hungriges Stöhnen zur Antwort. Die zitternde Visierung auf Toms Brust zentriert, drückte Chris den Abzug. Der Einschlag der Kugel ließ Tom wieder zurücktaumeln. Stofffetzen und Staub wirbelten durch die Luft. Kein Blut.
„Schutzweste, du Vollidiot! Polizisten tragen Schutzwesten, Anfänger!“ schoss es Chris durch den Kopf. Ein weiterer Schuss auf den Oberschenkel förderte zwar Blut zutage, verlangsamten Toms Vormarsch aber nur unmerklich. Nur noch etwa 6 Meter Abstand. Ideale Schussentfernung. Wie auf dem Schießstand. Dritter Schuss. Das fast winzig wirkende Einschussloch das inmitten von Toms Stirn erblühte, strafte die rote Wolke am Hinterkopf lügen. Ein letztes Aufstöhnen und Tom sank zu Boden.
„Scheißescheißescheiße... das gibt’s doch alles gar nicht!“ Chris verstand die Welt nicht mehr. Ein Kollege, dem er bis vor kurzem noch sein Leben anvertraut hätte, hatte sich in eine reißende, menschenfressende Bestie verwandelt. Wollte ihm an die Gurgel gehen wie ein....beschissener Zombie. Ja, das war das Wort. Chris hatte genügend gute und schlechte Horrorfilme gesehen, dass ihm dies der passendste Begriff schien. Und aus diesen Filmen wusste er auch, wo einer ist, da sind meistens noch mehr. Die logische Konsequenz für Chris: mehr Munition organisieren, nach Überlebenden suchen und sich dann schleunigst verkrümeln.
Munition. Tom trug seine Waffe nicht mehr, aber die Magazintasche seines Einsatzgürtel enthielt nach wie vor das voll geladene Ersatzmagazin. Chris nahm es an sich. Ebenso verfuhr er mit dem Ersatzmagazin des getöteten Dienstgruppenleiters. Hieß für Chris noch 5 Patronen in der Waffe und nun drei Ersatzmagazine mit je 8 Schuss. Das war doch schon etwas. Dann schlich sich trotz des Horrors ein Lächeln auf Chris´ Gesicht. Der Waffenschrank! Chris angelte sich den Schrankschlüssel vom Schlüsselbrett des Funktisches.
Der einfache Stahlschrank enthielt die Maschinenpistolen der Streifenfahrzeuge, die nicht ständig damit bestückt waren. Chris konnte insgesamt fünf Heckler und Koch MP5 mit ausziehbaren Schulterstützen feststellen. Chris holsterte die Pistole und griff sich ein Exemplar. Auch drei vollgeladene MP-Magazine befanden sich im Schrank, welche Chris an sich nahm. Zwei wanderten in die Seitentaschen, mit dem dritten lud Chris die MP. Schulterstütze, ausgezogen, Waffe in die Sicherungshaltung, Sicherungshebel auf Einzelfeuer. Polizeiobermeister Heller fühlte sich nun bereit, den Albtraum noch ein wenig weiterzuträumen.
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